Tier des Monats: Monster der Tiefsee

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© WWF-Canon

Monster der Tiefsee

Stell dir vor: Es ist stockfinster, eisig kalt und auf jedem Quadratzentimeter deines Körpers – das ist etwa so groß wie dein Daumennagel – lastet das Gewicht eines Autos. So brutale Umweltbedingungen herrschen in der Tiefsee. Trotzdem leben dort unten eine ganze Menge Tiere. Viele von ihnen sehen aus wie Monster.

In meinem U-Boot erkunden wir gefahrlos die Unterwelt der Meere. Achtung, alle Luken dicht, wir gehen auf Tauchgang! Vorbei geht’s an den Korallenriffen direkt unter der Wasseroberfläche. Und dann tauchen wir ab!

40 Meter Tiefe: So tief kann ein trainierter Sportler mit Ausrüstung tauchen.

93 Meter ist die Nordsee durchschnittlich tief.

Bis 200 Meter Wassertiefe leben die meisten Tierarten der Ozeane.

214 Meter ist der Tauchrekord von Herbert Nitsch. Ohne Tauchausrüstung, mit einem einzigen Atemzug und von einer Art Schlitten am Seil nach unten gezogen.

300 Meter: Hier dringt kaum mehr Licht von der Meeresoberfläche durch, für viele Forscher beginnt ab hier die Tiefsee.

500 Meter tief taucht der Kaiserpinguin, 700 Meter abwärts können Robben tauchen.

Jetzt sind wir 1.000 Meter unter dem Meeresspiegel. Hier drückt das Wasser bereits mit einer Kraft von 100 Kilogramm auf jeden Quadratzentimeter unseres U-Boots. Gut, dass es aus einem superharten Metall ist. Die Tiefseetiere ertragen den Druck, weil sie zu 99 Prozent aus Wasser bestehen. Robben und Pottwale wiederum lassen vor dem Tauchen alle Luft aus den Lungen. Linkes Bullauge: Rotbarsch, Blauhecht und Grenadierfisch. Die werden langsam selten, weil sie zu häufig gefischt werden. Und da ist ein Sägebauch! Der wird bis zu 150 Jahre alt!

Tödliche Lichter

Weiter abwärts entdecken wir den Tiefsee-Anglerfisch. Er hat eine „Angelrute“ auf seiner Stirn, deren Ende leuchtend vor seinem großen Maul baumelt. Diesen „Leckerbissen“ wollen sich kleinere Fische gerne schnappen und landen prompt in der Falle – also im Anglerfisch-Magen. In der Tiefsee arbeiten viele Fische mit Beleuchtung. Der Vipernfisch lockt mit Blitzen und Funkeln in seinem Maul – bis ein Fischlein sich dahinein verirrt und von ihm genüsslich verspeist wird.

Auch zur Tarnung oder – wie beim Riesenkalmar – zum Liebesspiel wird das Licht eingeschaltet. Wissenschaftler nennen diese Fähigkeit Biolumineszenz. Es sind körpereigene Bakterien, die das Licht erzeugen.

Aus den Bullaugen seht Ihr jetzt im Scheinwerferlicht ein dichtes Schneegestöber. Das ist Detritus, leckeres Tiefseebewohnerfutter. Es besteht aus Resten toter Tiere und Pflanzen aus den oberen Meeresstockwerken. Das wird hier unten alles verputzt – von Mikroorganismen, Pilzen, Würmern und Krebsen.

1.700 Meter und tiefer: Hier sprudeln die Schwarzen Raucher – heiße Quellen an untermeerischen vulkanischen Gebirgen. Sie entstehen, wenn Wasser durch Risse im Meeresboden in die heiße Erdkruste sickert. Dort wird es aufgeheizt und mit gelösten Mineralien und Schwefelwasserstoff vermischt. Dann schießt es kochendheiß wieder nach oben ins zwei bis vier Grad kalte Meer.

Durch das schnelle Abkühlen flocken die Minerale aus dem Wasser aus (ähnlich wie Apfelfasern in Deiner Saftschorle) und lagern sich am Meeresboden ab, bilden bis zu 40 Meter hohe Türme aus Schwefel, Kupfer, Eisen, Silber und Gold.

Diese brodelnde Brühe ist giftig. Doch wo sie austritt, tummeln sich sehr interessante Tiere. Sie haben sich hier unten ganz ohne Sauerstoff und ohne Sonnenlicht entwickelt. Wie zum Beispiel der bis zu 2,5 Meter lange Röhrenwurm Rifta. Er hat weder Mund noch Darm oder Magen. Nur eine Röhre, in der Bakterien sitzen, die aus dem schwefelhaltigen Wasser Nahrung gewinnen. Von der wiederum der Wurm prima lebt.

Auch Schlotkrabben, Riesenmuscheln, Seespinnen und Seeanemonen leben direkt oder indirekt von den Schwefelbakterien. So ähnlich, vermuten Forscher, könnte sich vor vier Milliarden Jahren auf der Erde erstes Leben ohne Sauerstoff entwickelt haben.

3.000 Meter: Bis hier unten gibt’s Kaltwasserkorallenriffe. Hier lebt auch der Riesenkalmar. Und so tief kann der Pottwal tauchen, der mit dem Riesenkalmar kämpft, weil er ihn gern verspeist.

4.100 Meter: Hier haben Forscher vor der Küste Perus noch Seesterne, Seegurken, Schwämme, Seeanemonen und Krebse gefunden.

Ganz tief unten

9.006 Meter: Das ist die größte Tiefe, in der je ein Fisch gefangen wurde – der Abyssobrotula galathea.

10.000 Meter: Jetzt drückt das Gewicht einer ganzen Tonne auf jeden Quadratzentimeter unseres U-Bootes.

10.916 Meter: So tief kamen 1960 Jacques Picard und Jon Walsh mit ihrer „Trieste“ – bis heute Tiefentauchrekord!

11.034 Meter: Im Marianengraben im Pazifik liegt die tiefste Stelle der Weltmeere. Zum Vergleich: Der Mount Everest, mit 8.848 Metern der höchste Berg an Land, würde glatt darin versinken.

So, jetzt tauchen wir wieder ganz langsam auf. Schade eigentlich, es gibt noch so viel zu entdecken. Damit das so bleibt, setzt sich der WWF für den Schutz der Tiefsee ein. Unter anderem schlägt er vor, 620.000 Quadratkilometer (das mehr alls anderthalb mal so groß wie Deutschland) entlang des Mittelatlantischen Rückens zum Schutzgebiet zu erklären. Dort gibt es Seeberge mit wertvollen Kaltwasserkorallenriffen, die vor zerstörerischen Schleppnetzen geschützt werden sollen.